Pfarrer Dr. Christoph Morgner
(IDEA-Magazin vom 21.04.2024)
Ex-Präses Dr. Christoph Morgner:
„Es gibt keine direkte Linie von Luther zu Auschwitz“
Die Forderung der „Grünen Jugend“ in Frankfurt a. M., nach Martin Luther benannte Straßen und Plätze umzubenennen, sorgte zuletzt für Schlagzeilen. Nach einem Kommentar von Pfarrer Winfrid Krause im IDEA-Magazin (siehe unten: „Luther ein Antisemit?“) und Leserbriefen zu Luther und seinem Verhältnis zum Antisemitismus folgt hier ein weiterer IDEA-Beitrag zum Überdenken vom früheren Präses des Ev. Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, Pfarrer Dr. Christoph Morgner (Garbsen bei Hannover), der bereits am 31. Januar 2018 im IDEA-Magazin publiziert wurde.
Im ausgehenden Mittelalter war die Judenfeindschaft Normalzustand. „Das Judentum ist eine Pest, wie sie feindseliger und gehässiger gegenüber der Lehre Christi nicht zu finden ist“, urteilte der führende Humanist der damaligen Zeit, Erasmus von Rotterdam (1466–1536). Juden wurden als Fremdkörper empfunden. Aus den meisten Ländern Europas waren sie längst vertrieben. Ihre Besonderheiten wie Kleidung und Sprache lösten Ängste aus. Ihr wirtschaftlicher Erfolg weckte Neid und Missgunst. Eigene Misserfolge oder unerklärliche Phänomene (Pest, Seuchen, Missernten) wurden gern den Juden in die Schuhe geschoben. Außerdem war man der Überzeugung, dass zu einem geordneten Staatswesen der einheitliche Glaube der Bevölkerung gehören müsse .In dieser Zeit lebt und wirkt Martin Luther. Nirgendwo spielen bei ihm irgendwelche rassistischen Motive eine Rolle, wie das im Dritten Reich der Fall war. Es gibt keine direkte Linie von Luther zu Auschwitz.
Für Luther waren die Juden erwählt
Der Reformator sieht deutliche inhaltliche Unterscheidungsmerkmale zwischen Juden und Christen. Aber das Gebot der Nächstenliebe gilt auch gegenüber Juden. „Die Ablehnung von Gewalt gegen die Person von Juden hat Luther zeitlebens beibehalten, die Verbrennung von Menschen etwa – wie sie damals noch vielfach vorkam – stets verabscheut“, schrieb der evangelische Theologe Walther Bienert (1909–1994). Mit Beginn seiner Vorlesungstätigkeit (1512) tritt Luther für die Freiheit von Forschung und Lehre ein. Er wendet sich gegen das Verbrennen jüdischer Bücher, denn „100-fach schlimmer sind die Gotteslästerungen in der Christenheit“. Für Luther ist klar, dass die Juden nach wie vor von Gott erwählt sind. Deshalb haben Christen und Juden viel Grund, darüber Gott zu loben, nicht aber zum Streiten miteinander.
Im Jahr 1523 kommt es zu einem literarischen Paukenschlag: „Dass Jesus ein geborener Jude sei“. So heißt Luthers Schrift, deren Aussagen für die damalige Zeit revolutionär sind. Die Juden „sind von dem Geblüt Christi; wir sind Schwäger und Fremdlinge, sie sind Blutsverwandte, Väter und Brüder unseres Herrn“. Luther wendet sich gegen die Gräuelmärchen, die über Juden im Umlauf sind. Er kritisiert deren Ghettoisierung und die Berufsverbote, die über sie verhängt sind. Freundlich und wertschätzend sollen Christen und Juden miteinander umgehen. Hier zeigt sich Luther als Bahnbrecher für religiöse Toleranz. Die damals ihnen gegenüber geübte Gewalt hält er für verfehlt. Vielmehr sollen für Juden die bürgerlichen Berufe geöffnet werden, dann wären sie nicht mehr auf Geldgeschäfte und Wucher fixiert. Luther zielt auf die gesellschaftliche Integration der Juden, ohne deren Bekehrung vorauszusetzen. Er betrachtet es sogar als möglich, wenn zwischen Christen und Juden geheiratet wird.
Deutliche theologische Grenzen
Luther ist überzeugt: Wenn Christen ihre Haltung gegenüber den Juden verändern, dann werden Juden eine andere Haltung gegenüber dem christlichen Glauben annehmen, zumindest einige von ihnen. Sie werden erkennen, dass ihr Messias nicht erst kommt, sondern in Jesus bereits gekommen ist. Luthers Schrift findet eine ungeheure Resonanz, wird in zehn Auflagen nachgedruckt und in Latein übersetzt. Seine freundliche Einstellung gegenüber den Juden hindert Luther jedoch nicht, deutliche theologische Grenzen zu ziehen. Er stellt fest, dass es die Juden ärgert, dass Jesus Gott sein soll. Sie sind verblendet, ungehorsam und verfallen damit dem Gericht Gottes. Aber Luther zweifelt nicht daran, dass es einen Rest gibt, der zum Glauben an Jesus findet.
Vielen erschien Luther als Fürsprecher
In der Folgezeit wird sich Luther mehr und mehr des Unterschieds zwischen der jüdischen und christlichen Auslegung des Alten Testaments bewusst. Für Luther ist klar: Das Alte lässt sich nur vom Neuen Testament her angemessen verstehen, weil es auf Jesus zuläuft. Insofern tappt die jüdische Auslegung im Dunkeln. Die Rabbinen „zerreißen und zermartern die Schrift in ihren Auslegungen, wie die unflätigen Säue einen Lustgarten zerwühlen und umkehren“. Martin Luther zeigt bis dahin eine freundliche Haltung gegenüber Juden, um sie für den Messias zu gewinnen. Immer wieder hebt er die Vorzüge des erwählten Volkes heraus. Im Jahr 1537 schreibt er einen Brief an „den weisen Josel, Juden zu Rosheim, meinem guten Freunde“. Diese wertschätzende Linie zieht sich bis 1542 durch. Viele Juden sehen in Luther ihren Fürsprecher.
Was er besser nicht geschrieben hätte
Kurz vor seinem Lebensende verfasst er zwei Schriften, die er – so unsere heutige Einschätzung – besser nicht geschrieben hätte. Die jüdische Schrift, auf die Luther reagiert, ist leider verschollen. Sie enthält offensichtlich böse Schmähungen Christi und der Jungfrau Maria. Luther fühlt sich in seinem Glauben tief verletzt. Er lässt sich zu zwei polemischen Schriften hinreißen. Seine bisherige Gelassenheit ist dahin. Er sieht böse geschmäht, was ihm heilig ist. Er wendet sich gegen die Behauptung, Maria, „eine Hure“, hätte „mit einem Schmied im Ehebruch“ Jesus gezeugt. Maria wird darin als „Dreckshaufen“ bezeichnet, Jesus als „Missgeburt“.
Luther ist geradezu außer sich und gibt Ratschläge, wie die Obrigkeit künftig mit Juden umgehen soll. Luther nimmt jetzt die Gräuelmärchen von Brunnenvergiftungen durch Juden und deren Ritualmorde von Christenkindern positiv auf. „Wir wollten gern Geschenke geben, dass wir sie loswerden.“ Er stellt die Juden als Faulpelze hin, während die Christen arbeiten müssen. Was tun? Luther unterbreitet den Landesherren u. a. folgende Vorschläge: - Die Synagogen und Wohnhäuser der Juden sollen verbrannt und zerstört werden, weil in ihnen Jesus Christus gelästert wird. - Talmud und Gebetbücher sollen eingezogen werden. - Ihr Vermögen an Geld und Edelmetall soll konfisziert werden. - Ihren Lebensunterhalt sollen sich die Juden durch eine Art Zwangsarbeit bei Christen verdienen.
Am Ende schwankte er
Es geht Luther um Vertreibung, so wie in anderen Ländern, nicht jedoch um Tötung der Juden. Nach wie vor lehnt er körperliche Gewalt gegen sie ab. Mit seinem Maßnahmenkatalog steht er nicht allein. Nicht nur Erasmus von Rotterdam, sondern auch der exzellente Hebräisch-Kenner Johannes Reuchlin (1455–1522) und der katholische Theologe und Luther-Gegner Johannes Eck (1486–1543) urteilen ähnlich. Dass Juden „nicht glauben wie wir, dafür können wir nichts, man kann niemanden zu Glauben zwingen … Aber öffentlich frei daher, in Kirchen und vor unseren Nasen, Augen und Ohren solchen Unglauben für recht zu rühmen und den rechten Glauben zu lästern und zu fluchen, das ist etwas anderes. Da ist unser Zusehen und Stillschweigen ebenso viel, als täten wir es selbst.“
Glücklicherweise wurden diese Schriften Luthers nicht sonderlich verbreitet (nur eine Auflage).Gegen Ende seines Lebens schwankt Luther. Einerseits sieht er für sie keine Hoffnung mehr. Andererseits schreibt er 1544: „Es gibt immer einige Juden, die gerettet werden.“ Auch in seinen letzten Predigten, die er in Eisleben gehalten hat, klingt diese Hoffnung durch.
Luther sah sein Lebenswerk in Gefahr
Luther „war keineswegs von blindem Hass auf die Juden und alles Jüdische erfüllt, sondern er meinte, im Kampf um die Wahrheit die evangelischen Territorien vor der Gefahr der Infiltration antichristlichen Geistes schützen zu müssen“, urteilt der Theologe und Altpräsident des Evangelischen Bundes, Hans-Martin Barth. Luther hat die inhaltlich und organisatorisch fragilen jungen evangelischen Gemeinden vor Augen, die er durch die Attacken der Juden gefährdet sieht. Christen könnten durch die Schmähungen der Juden an ihrem Glauben Schaden nehmen. Luther sah sein Lebenswerk der Reformation in Gefahr. Nur so lässt sich seine überschäumende Polemik verstehen.
Pfarrer Dr. Christoph Morgner
(IDEA-Magazin vom 21.04.2024)
Reformator Martin Luther war kein Antisemit
Zur Forderung der „Grünen Jugend“ in Frankfurt am Main, nach Martin Luther (1483–1546) benannte Straßen und Plätze umzubenennen, ein Kommentar von Pfarrer Winfrid Krause
Die „Grüne Jugend“ in Frankfurt möchte nach Martin Luther benannte Straßen und Plätze umbenennen und hat dort widerrechtlich Schilder mit der Aufschrift „Diese Strasse ist nach einem Antisemiten benannt“ angebracht. Auch der Turnvater Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), der Komponist Richard Wagner (1813–1883) und der Schriftsteller Theodor Fontane (1819–1898) sind betroffen.
Als in Deutschland im 19. Jahrhundert verstärkt Antisemitismus aufkam, häuften sich solche Äußerungen Prominenter. Wo sie nur beiläufig und am Rande vorkommen, wird ihr sonst herausragendes Werk meines Erachtens dadurch nicht berührt. Es ist sehr fragwürdig, wenn die heutige Generation sich besserwisserisch über die Vergangenheit erhebt. Vor 1933 konnte man kaum wissen, welche barbarische Judenvernichtung die NS-Diktatur betreiben würde.
Der junge Luther warb für die Bekehrung der Juden
Luther war auch gar kein Antisemit, denn er lehnte die Juden nicht wegen ihrer „Rasse“ ab, sondern wegen ihrer Nichtanerkennung des Messias Jesus. Der junge Luther hatte 1523 die Schrift „Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei“ veröffentlicht. Er forderte dazu auf, den Juden mit dem wiederentdeckten Evangelium freundlich zu begegnen und sie für das Christentum zu gewinnen, zumal „wir doch auch nicht alle gute Christen sind“. Doch wurde seine Hoffnung in den folgenden Jahren enttäuscht.
Wertschätzung für das Alte Testament
Als Bibelprofessor legte Luther in seinen Vorlesungen meist das Alte Testament aus. Er lernte Hebräisch, benutzte jüdische Kommentare und übersetzte es bis 1534 mithilfe weiterer Gelehrter wie Philipp Melanchthon (1497–1560) und Matthäus Aurogallus (1490–1543) ins Deutsche. Dabei behandelte er auch die rund 50 messianischen Verheißungen und zeigte, wie sie im Neuen Testament in Jesus in Erfüllung gingen. Die Rabbiner dagegen deuteten diese Stellen entweder auf den vom Judentum noch erwarteten, zukünftigen Messias oder auf die Könige aus Davids Geschlecht, worüber sich Luther, der auf einen klaren Wortlaut der Bibel drang, ärgerte. Auch ein Gespräch mit drei Rabbinern (1526) und ein Briefwechsel mit dem berühmten Josel von Rosheim (wahrscheinlich 1478–1554) im Jahr 1537 brachte keine Annäherung.
Enttäuschung und Ablehnung der Juden
In seinen späten Judenschriften, besonders „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543), verhärtete sich Luthers Haltung. Neben seiner Intoleranz gegenüber dem jüdischen Gottesglauben forderte er nun, ihre Synagogen sollten – weil in ihnen Christus gelästert werde – verbrannt oder zerstört werden. Er konnte sich innerhalb des geschlossen christlichen Abendlands ein multireligiös-friedliches Zusammenleben nicht vorstellen und befürwortete mit „scharfer Barmherzigkeit“ die Enteignung und Vertreibung der Juden. Dieser damals verbreitete Antijudaimus ist nach der Aufklärung aus heutiger Sicht nicht zu rechtfertigen.
Aber es geht nicht an und zeugt von historischer Unkenntnis, Luther zum Antisemiten oder Wegbereiter der Schoa zu stempeln. Einer Tötung von Juden hat er nie das Wort geredet. Das Luthertum hat nach seinem Tod seine späten Judenschriften nicht in seine Werkausgaben aufgenommen. Erst die Deutschen Christen gruben sie 1936 wieder aus, aber da war Hitlers Judenvernichtung bereits beschlossen.
Ein großer Deutscher mit weltweiter Wirkung
Luther war ein mutiger Theologe, der mit seiner Reformation der Kirche zur biblischen Wahrheit verholfen hat und auch zum Wegbereiter neuzeitlicher Religionsfreiheit wurde. Er ist bis heute in allen Umfragen der größte Deutsche – mit weltweiter Wirkung. Selbstgerechte Geschichtsklitterung und politisierende Straßenpropaganda können ihm nichts anhaben.
Pfr. Winfried Krause
ist Vorsitzender des Lutherischen Konvents im Rheinland.
(14. Marz 2024)
Der badische Erweckungsprediger Aloys Henhöfer
Die meisten badischen Christen kennen seinen Namen nicht mehr. Nicht verwunderlich nach fast 200 Jahren. Aloys Henhöfer (1789-1862), zuletzt 30 Jahre Landpfarrer in Spöck und Staffort auf der Hardt nördlich von Karlsruhe, zuvor im benachbarten Ort Graben und in Mühlhausen bei Pforzheim, zog mit seinen schlichten Jesus-Predigten die Menschen an. Sie kamen in Scharen von nah und fern in seine Kirche.
Einladung zur verbindlichen Nachfolge von Jesus
Mit seiner bildhaften Verkündigung zeigte Henhöfer biblisch klar den Weg zum ewigen Leben. Viele fanden so zum persönlichen Glauben und wandten sich ab von ihrem sündigen Leben. Sie trafen sich fortan zum gemeinsamen Bibellesen, Singen und Beten. Eine geistliche Erweckung brach auf und breitete sich von Spöck aus ins Land. Aus den Bibelstunden entstand der pietistische „Ev. Gemeinschaftsverband für innere Mission Augsburgischen Bekenntnisses“, vor Ort meist kurz AB-Verein genannt. Das Kürzel AB bezog sich auf das Reformatorische Bekenntnis von 1530 in Augsburg vor dem Kaiser.
Von der Moralpredigt zur Predigt des Evangeliums
Geboren ist Henhöfer am 11. Juli 1789 in einer katholischen Bauernfamilie in Völkersbach bei Karlsruhe. Mit Hilfe des Ortspfarrers sollte er Priester werden, wollte die religiöse Mutter. Nach dem Gymnasium in Rastatt studierte der gehorsame Sohn darum Theologie in Freiburg, kam ins Meersburger Pries-terseminar und wurde 1815 in Konstanz zum Priester geweiht. Freiherr Julius von Gemmingen im Schloss Steinegg bei Pforzheim sorgte dafür, dass der begabte Theologe in seine Nähe nach Mühlhausen im Würmtal kam. Keine leichte Pfarrstelle. Henhöfer scheiterte mit seinen „Moralpredigten“ und suchte nach Ursachen. Durch Gottes Gnade fand er zum biblischen Evangelium wie einst Martin Luther. Jetzt strömten auch aus Nachbarorten die Leute herbei. Deren Pfarrer ärgerten sich und verklagten Henhöfer bei der Kirchenbehörde. Er wurde suspendiert. Dem Separatismus aber widerstand er. Ein Drittel seiner Gemeinde trat mit ihm zum evangelischen Glauben über. Mit einer Schrift über sein Glaubensbekenntnis stellte Henhöfer 1822 die Grundsätze seiner Verkündigung vor. Mehr als 12.000 Exemplare wurden innerhalb eines Jahres verkauft. Doch bleiben durfte er um des lokalen Friedens willen nicht.
Eine erste badische Bekenntnisbewegung wurde aktiv
Im Juli 1823 wurde er nach Graben (Hardt) versetzt, wo seine Predigten bis nach Karlsruhe zum Großherzog drangen. Einmal kam dieser sogar per Kutsche, um ihn zu hören. „Gelehrt predigt er nicht, aber es geht durchs Herz“, sagte er hinterher und hielt fortan schützend seine Hand über ihn. Nach 1827 wirkte Henhöfer noch 35 Jahre als Pfarrer in den Dörfern Spöck und Staffort. Mehr als zwanzig Vikare hat er gehabt und geprägt. Einige gegnerische Nachbarpfarrer konnte er gewinnen. Insgesamt sieben Pfarrer wurden seine Mitstreiter im sog. „Katechismusstreit“. Dabei ging es um Lehrfragen für die 1821 gegründete Kirchenunion in Baden. Jesus wurde nicht mehr klar als Sohn Gottes gesehen, sondern als vorbildlicher Mensch, sein Kreuzestod war keine Versöhnungstat mehr. Es entstand eine erste kleine Bekenntnisbewegung in der badischen Kirche. Im Jubiläumsjahr des Augsburgischen Bekenntnisses 1830 baten die Pfarrer und Vikare um Henhöfer die Kirchenleitung, die Gewissen nicht länger zu beschweren und die Gemeinden mit der „Einführung eines so unbiblischen und unchristlichen Katechismus gnädigst (zu) verschonen“. Dieses rationalistische Machwerk lehre „defizitär vom Heil, vom Heiland und vom Heilsweg“.
Der Kampf um den geistlichen Kurs der Kirche lohnte
Der „Katechismusstreit“ dauerte sechs Jahre. Das kleine Team war heftigen Drohungen und Repressalien ausgesetzt. Dennoch trugen sie einen Sieg davon. Die kritisierten Abschnitte wurden geändert, der Katechismus nicht in den Rang einer Bekenntnisschrift erhoben. Die vielen Eingaben erregten großes Aufsehen, und die badische Erweckungsbewegung fasste Fuß an vielen Orten. Der anhaltende Streit rüttelte Gemeinden und Pfarrer wach. Die Frage nach dem rechten Glaubensbekenntnis bekam wieder größeren Stellenwert.
Henhöfers Schriften gaben der Gemeinde biblische Wegweisung
Zur biblischen Fundierung der Gemeinden trugen Henhöfers Schriften bei, vor allem sein Glaubensbekenntnis und seine Schrift „Die biblische Lehre vom Heilsweg und von der Kirche“. Auch Henhöfers gedruckte Predigten waren begehrt. Sie zeigten in verständlicher Sprache den Weg zum Glauben. Schon damals war der kleinen Truppe klar, dass die „Erweckten“ geistliche Nahrung in schriftlicher Form zur Begleitung brauchten. Ein Wochenblatt mit dem Titel „Das Reich Gottes“ wurde herausgegeben. Pfarrer Karl Mann (Hochstetten) war bis zu seinem Tod 1869 sein Schriftleiter. Ab 1870 wurde es unter dem Titel „Reich-Gottes-Bote“ die Zeitschrift des AB-Verbandes, der sich damals bewusst auf das „Augsburger Bekenntnis“ (AB) der Reformation gründete, das seit der Kirchenunion 1821 nur noch als historisches Dokument gesehen wurde und nicht mehr als Bekenntnisschrift.
Der geistliche Kampf um die klare biblische Lehre geht weiter
Als Aloys Henhöfer am 5. Dezember 1862 in seinem Spöcker Pfarrhaus starb, war die von Gott geschenkte Erweckung nicht zu Ende. Wohl blieb eine geistliche Wende in der Kirchenleitung aus, was Henhöfer betrübte, aber überall waren Zellen lebendigen Glaubens entstanden, Glaubenswerke, diakonische Einrichtungen, Kindergärten, Diakonissenhäuser und Heime. Es gab Glaubenstreffen (heute sind es „Christustage“), Evangelisationen und Missionsfeste. Parallel, meist nicht in der großen Öffentlichkeit, ging jedoch der geistliche Kampf um die biblische Lehre in der Kirche weiter – bis heute. Auch „hoffen + handeln“, das sich in den Spuren Henhöfers sieht, hat 50 Jahre lang dazu seinen Beitrag für unsere Zeit geleistet. Was nachfolgt, bleibt offen. Gott wird es zeigen.
Zu Aloys Henhöfer empfehlen wir das abgebildete Taschenbuch „Erst der Glaube, dann die Tat“ für 1,90 Euro sowie das schöne Bild-Text-Bändchen „Zeit des Heils“ mit berühmten Zitaten von Henhöfer in großer Schrift für 3,80 Euro und von Wilhelm Heinsius „Aloys Henhöfer und seine Zeit“ (ISBN: 3-7751-1206-5) für 19,90 Euro, alle beim Ev. Buchdienst von Elisabeth Berggötz-Funk, Im Langgewann 66, 69469 Weinheim, Mail: buchhandlung-berggoetz@gmx.de, Tel. 06201 58388, Mobil: 0176 61666811.
Martin Kugele
ist Pfarrer im aktiven Ruhestand in Bretten und Redaktionsleiter von „hoffen + handeln“.
Wort zur Orientiertung bei den Christustagen 2022
ChristusBewegung Baden an die badischen Kirchengemeinden zur Lage
Liebe Schwestern und Brüder,
wir leben mitten in Krisenzeiten. Pandemie, Kriege und Klimawandel fordern uns heraus. Die Landeskirchen sind konfrontiert mit hohen Austrittszahlen und sinkenden Finanzmitteln. Die badische Landeskirche hat deshalb den „Strategieprozess EKiBa 2032“ auf den Weg gebracht. Ziel ist es, in den kommenden zehn Jahren 30% an Geld, Personal und an kirchlichen Gebäuden einzusparen.
Transformation“, also „Umgestaltung“, heißt das Zauberwort.
Es macht durchaus Sinn, rechtzeitig neue Strukturen zu schaffen, damit künftig mit weniger Hauptamtlichen die Arbeit für alle Gemeinden getan werden kann. Dennoch fehlt dem kirchlichen Strategiepapier eine geistliche Vision, wie sie uns etwa Matthäus am Ende des 9. Kapitels seines Evangeliums überliefert: „Jesus zog umher in allen Städten und Dörfern … und predigte das Evangelium … Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren geängstet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.“
Jesus sieht die einzelnen Menschen!
Er sieht ihre geistliche Not. Und das lässt ihm keine Ruhe. Er wendet sich an seine Jünger: Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende! (Matthäus 9, 38). In einer modernen Bibelübertragung heißt es: „Es gibt echt viel zu tun, aber nur wenige sind bereit, die harte Arbeit zu machen. „Ihr müsst Gott bitten, dass er noch mehr Leute schickt, damit sie die Arbeit tun, die getan werden muss!“ Als ChristusBewegung glauben wir, dass uns dieses Gebet um bereitwillige Arbeiterinnen und Arbeiter für unsere Kirche aufgetragen ist. Wir brauchen Leute – viele Christen – und die wenigsten davon werden Hauptamtliche sein!
Diese Arbeit, die „getan werden muss“, ist Auftrag eines jeden Christen. Ohne uns bleibt sie liegen.
Wir müssen uns als Gemeinde vorbereiten und zurüsten lassen für den Dienst im Alltag und am Sonntag. Wir sind berufen und geistlich befähigt, Gott und unseren Mitmenschen zu dienen. Das bedeutet aber auch, dass die Hauptamtlichen sich stärker um Mitarbeiterschulungen kümmern müssen. Gottesdienste, Seelsorge, Diakonie – das alles wird auch mit anderen Arbeitern funktionieren. Es ist Zeit, dass wir ernst machen mit dem Priestertum der Glaubenden.
Lasst uns neu Gebetsgruppen einberufen und Gebetszeiten einhalten, um für mehr Arbeiter und Arbeiterinnen zu bitten.
Bittet den Herrn der Ernte!
Für den Vorstand der ChristusBewegung Baden
Pfarrer Lothar Mößner, Pfinztal bei Karlsruhe (16. Juni 2022)